Es gibt in der Schweiz kaum noch Menschen, die das Internet nicht nutzen. Die Angehörigen müssen sich nach dem Tod eines ihnen nahe stehenden Menschen immer öfter auch um dessen digitales Erbe kümmern. Aber es kann sehr schwierig sein, die Daten eines Verstorbenen im Netz aufzuspüren und Zugang zu ihnen zu erhalten. Ohne die nötigen Zugangsdaten lässt sich oft nicht viel ausrichten. Deshalb sollten wir uns schon zu Lebzeiten Gedanken zu unserem digitalen Nachlass machen.
Um mitbestimmen zu können, was mit unseren Daten einmal geschieht, und um unseren Angehörigen die Arbeit bei der digitalen Willensvollstreckung zu erleichtern, sollten wir ein paar grundlegende Dinge bedenken. Unerlässlich ist es, selber stets den Überblick über unsere Onlineaktivitäten zu haben und eine Liste mit allen Zugangsdaten an einem sicheren Ort aufzubewahren, den mindestens eine Vertrauensperson kennt. Dem Zugang zum E-Mail-Konto kommt eine Schlüsselfunktion zu, da es zur Anmeldung bei den meisten Onlinediensten und oft auch zum Zurücksetzen eines Passworts eine E-Mail-Adresse braucht. Ausserdem laufen viele Verträge und Transaktionen über den E-Mail-Verkehr ab.
Worauf Sie im Einzelnen achten müssen und wie Angehörige im Falle einer digitalen Nachlassverwaltung vorgehen müssen, finden Sie in den Tipps ganz unten.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Gemäss Schweizer Erbrecht wird eine Erbschaft als Ganzes auf die Erben übertragen (Prinzip der Universalsukzession gemäss Art. 560 Abs. 1 ZGB). Digitale Daten, die auf einem lokalen Datenträger bzw. Endgerät gespeichert sind, fallen zusammen mit allen anderen vererblichen Vermögenswerten in die Erbmasse. Wie es mit den Daten steht, die bloss im Internet gespeichert sind, ist aus rechtlicher Sicht nicht eindeutig geregelt. Es handelt sich dabei meistens nicht um Vermögenswerte im Sinne des Erbrechts, sondern vielmehr um persönlichkeitsrechtliche Belange, welche nicht auf die Erben übergehen (Art. 31 Abs. 1 ZGB). Die Angehörigen haben unter Berufung auf den Andenkenschutz nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten.
Damit wir unser Recht auf informationelle Selbstbestimmung über den Tod hinaus wahrnehmen können, müssen wir in unserem Testament bestimmen, was mit unseren Daten geschehen soll bzw. wer sich um welche Daten in welcher Form kümmern soll. Dabei gilt es, die strengen Formvorschriften für die letztwillige Verfügung zu beachten: Sie muss in der Regel handschriftlich abgefasst oder öffentlich beurkundet sein (Art. 505 bzw. 498 ZGB). Ebenso wichtig ist es aber, dass wir eine Liste aller Benutzerkonti mit den dazugehörigen Zugangsdaten (Benutzernamen und Passwörter) erstellen, an einem sicheren Ort aufbewahren und immer aktuell halten. Wir müssen auch eine Vertrauensperson als digitale Willensvollstreckerin wählen, die den Aufbewahrungsort kennt. Eine praktische und sichere Möglichkeit bietet ein passwortgeschützter USB-Stick, dessen Passwort nur wir selber und die eingeweihte Vertrauensperson kennen. Wenn wir niemanden aus dem Familien- oder Freundeskreis dazu bestimmen können oder wollen, kann ein digitaler Vererbungsdienst diese Aufgabe übernehmen. Es gibt etliche digitale Willensvollstrecker, die ihre Dienste im Netz anbieten, darunter auch Schweizer Unternehmen. Da es immer heikel ist, vertrauliche Daten einem unbekannten Dritten zu übergeben, ist die Wahl eines vertrauenswürdigen Anbieters wichtig.
Da die Persönlichkeit nach Schweizer Recht mit dem Tod endet, stellt sich die Frage, ob die Daten Verstorbener überhaupt unter den Persönlichkeitsschutz im Sinne des DSG fallen. Bezüglich Auskunftsrecht haben Angehörige die Möglichkeit, Auskunft über Daten Verstorbener zu erhalten, wenn keine überwiegenden Interessen Dritter entgegenstehen (Art. 1 Abs.7 VDSG). Jedoch können spezialgesetzliche Regelungen wie das Arzt-, das Bank- oder das Briefgeheimnis eine Auskunft ausschliessen.
Während Persönlichkeitsrechte nicht vererblich sind, werden Urheberrechte weitervererbt. Unter das Urheberrecht fallen Werke im Sinne von geistigen Schöpfungen mit individuellem Charakter. Sowohl literarische Texte, Bilder, Fotografien, Filme als auch Videos können urheberrechtlich geschützt sein. Allerdings ist dies bei Beiträgen, die im Internet publiziert werden, nur selten der Fall. Einerseits, weil Schnappschüsse, Ferienfotos, Selfies und Hobbyvideos das Kriterium der individuellen geistigen Schöpfung oftmals nicht erfüllen. Andererseits aber auch, weil Onlinedienste und Apps wie Facebook, Instagram, Snapchat etc. in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in der Regel den Verzicht auf allfällige Urheberrechte ausbedingen. Wenn wir als User die AGB akzeptieren und auf die Anerkennung der Urheberschaft verzichten, kann dieses Recht auch nicht mehr vererbt werden.
Tipps für Betroffene
- Machen Sie sich frühzeitig Gedanken über Ihre digitale Nachlassplanung
- Behalten Sie stets den Überblick über Ihre Internetaktivitäten und löschen Sie Benutzerkonti, die Sie schon seit längerem nicht mehr brauchen
- Erstellen sie eine Liste all Ihrer Benutzerkonti samt Zugangsdaten und bewahren Sie sie an einem sicheren Ort auf
- Informieren Sie rechtzeitig eine Person Ihres Vertrauens darüber oder beauftragen Sie einen digitalen Vererbungsdienst
- Verfassen Sie eine formgültige (handschriftliche oder öffentlich beurkundete) letztwillige Verfügung oder einen entsprechenden Passus in einem öffentlich beurkundeten Testament
- Informieren Sie sich bei den von Ihnen genutzten Internetdiensten darüber, welche Möglichkeiten zur digitalen Nachlassplanung diese bieten (zurzeit bietet bspw. Google mit dem «Inaktivitätsmanager» die Möglichkeit, die Zugänge je Dienst unterschiedlich zu regeln)
Tipps für Angehörige
- Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Onlineaktivitäten der verstorbenen Person (Gibt es eine Vertrauensperson als digitale Willensvollstreckerin und eine Liste mit allen Benutzerkonti?)
- Wenn nicht, verschaffen Sie sich Zugang zum E-Mail-Konto (Die meisten E-Mail-Anbieter gewähren nach Vorlegen des Todes- und Erbscheins Zugriff aufs Konto)
- Suchen Sie nach kostenpflichtigen Abonnementen und Verträgen mit (Online-)Dienstleistern, um diese auf den nächstmöglichen Termin zu kündigen
- Löschen Sie Benutzerkonti bei Online-Versandhäusern und übrigen Diensten
- Suchen Sie nach sozialen Netzwerken und Apps, bei denen die verstorbene Person angemeldet ist. Wenn der Verstorbene nicht vorgesorgt hat, werden die Handlungsmöglichkeiten der Hinterbliebenen von den unterschiedlichen Regelungen der verschiedenen Dienste eingeschränkt:
Die meisten Onlinedienste geben Angehörigen keinen Zugriff und schalten das Profil nach einer gewissen Zeit auf inaktiv oder löschen das Konto.
Facebook und Instagram bieten rechtsgültigen Erben die Möglichkeit, das Profil des Verstorbenen in den «Gedenkzustand» zu versetzen oder zu löschen, geben aber auch keinen Zugriff.
Weiterführende Informationen und Links:
- Miniratgeber: Digitales Erbe planen und verwalten. Stiftung für Konsumentenschutz, Oktober 2015
- So lebt man nach dem Tod nicht virtuell weiter. Beobachter, 30.10.2015
- Profile von Verstorbenen sind kaum zu löschen. Die Welt, 29.10.2015
- Sterben und Erben in der digitalen Welt. Melanie Studer et. al, in: Jusletter, 17.12.2012
- Der digitale Nachlass. Rolf H. Weber, in: Jusletter-IT, September 2015
- Der digitale Nachlass: Sterben und Erben in der digitalen Welt. Forschungsergebnisse ZHAW-Studie als e-Book erhältlich