Versicherungsvollmachten

 

Versicherungsvollmachten

Vor allem, wenn es um Gesundheitsdaten  geht, erachten Versicherte die Vollmachten ihrer Versicherer oft als verwirrend oder beunruhigend. Häufig wird die Frage gestellt, ob die vorgelegte Vollmacht nicht zu weit gehe und inwieweit die Vollmacht mit dem Datenschutzrecht vereinbar sei.

Schattenwurf einer Person mit Krücken

Vollmachten allgemein: 

Eine Vollmacht ist erforderlich, wenn eine Versicherung Daten beschaffen möchte, dies aber im Gesetz nicht geregelt ist. Da viele der Personen oder Stellen, die über die benötigten Informationen verfügen, gesetzlich oder vertraglich zur Geheimhaltung verpflichtet sind, verlangt der Versicherer eine Vollmacht, um sich die notwendigen Informationen zu beschaffen. Der Umfang dieser Vollmacht wirft bei den Betroffenen oft Fragen auf. Sie verstehen nicht, warum sie Ärztinnen und Ärzten, Spitälern, anderen Versicherern, ihrem Arbeitgeber, Sozialämtern oder der Steuerverwaltung erlauben sollen, Daten über ihre Person bekanntzugeben. Auch ist ihnen nicht immer bewusst, dass sie aufgrund ihrer Mitwirkungs- und Schadenminderungspflicht die verlangte Vollmacht erteilen müssen.

Vollmachten werden oft sehr weit gefasst und umfassen eine ganze Liste von Personen oder Stellen, bei denen unter Umständen Informationen eingeholt werden. Sie ermächtigen Versicherer auch, Informationen an die erwähnten Personen und Stellen weiterzugeben. Der offene Charakter von Vollmachten kommt daher, dass der Versicherer nicht von vorherein weiss, bei wem er Informationen anfordern muss oder ob andere Versicherer, zum Beispiel der Unfallversicherer, in den Fall einbezogen werden müssen.

Aus Sicht des Datenschutzes ist es wesentlich, dass die Vollmacht auf ein konkretes Ereignis und die Informationen, die für dessen Klärung relevant sind, beschränkt ist. Keinesfalls darf es sich um eine Blankovollmacht handeln. Für jedes neue versicherte Ereignis muss der Versicherer eine neue Vollmacht verlangen; eine Vollmacht darf sich nicht auf zukünftige Ereignisse beziehen. Die Vollmacht muss den Gegenstand der Nachforschungen beinhalten, zum Beispiel «Schadenfall vom xx.xx.20xx», und sich auf die im konkreten Fall nötigen Daten beschränken. In der Regel verwenden Versicherungen Standardvollmachten, die sie allen Versicherten bei Vertragsabschluss oder beim Eintritt eines versicherten Ereignisses ausstellen. Da oft die gleiche Vollmacht für verschiedene Ereignisse verwendet wird, sind darin manchmal zahlreiche Stellen genannt (Hausärztin oder Hausarzt, Spital, Arbeitgeber, andere Versicherungen usw.), bei denen Informationen eingeholt werden können. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Versicherung bei allen aufgeführten Stellen Informationen einholen darf. Denn die Einwilligung der betroffenen Person gilt nur für jene Daten, die für den konkreten Fall notwendig sind. Im Gegenzug müssen die vom Versicherer angegangenen Stellen trotz der vorliegenden Vollmacht überprüfen, ob die verlangten Daten zweckdienlich sind (Grundsatz der Verhältnismässigkeit) und ob keine überwiegenden besonderen Interessen der betroffenen Person einer Datenbekanntgabe entgegenstehen. Sie dürfen dem Versicherer nur Informationen mitteilen, die sich konkret auf den jeweiligen Fall beziehen. Eine Vollmacht bedeutet nicht, dass die Ärztin oder auch ein anderer Versicherer (zum Beispiel der Krankenversicherer) eine ganze Krankengeschichte oder ein vollständiges Versicherungsdossier weitergeben darf. Gerade Dokumentationen, die sich über viele Jahre erstrecken, dürfen nur weitergegeben werden, wenn die darin enthaltenen Informationen für den vorliegenden Fall relevant sind.

Zu beachten ist weiter, dass die versicherte Person eine Mitwirkungspflicht hat und sie zur Klärung des Sachverhalts beitragen muss (Art. 28 Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG]). Das bedeutet, dass sie persönlich Informationen an den Versicherer weitergeben oder die Weitergabe von Informationen veranlassen muss. Dies beinhaltet besonders die erwähnte Befreiung von vertraglichen oder gesetzlichen Geheimhaltungsverpflichtungen (Art. 28 Abs. 3 ATSG). Kommt die versicherte Person dieser Pflicht ungenügend nach, kann der Versicherer die Leistungen ganz oder teilweise verweigern. Die Praxis hat gezeigt, dass die Versicherungen in der Regel nicht akzeptieren, wenn Versicherte die Vollmacht abändern, und sofort mit einer Leistungskürzung wegen Nichteinhaltung der Mitwirkungspflicht drohen. Dies bedeutet, dass die Vollmacht unterschrieben werden muss.

Trotz der sehr weitreichenden Befugnisse der Versicherungen bezüglich der verlangten Daten müssen sie die Grundsätze des Datenschutzes beachten. Personen, die wissen möchten, welche Gesundheitsdaten über sie beschafft wurden, können bei der zuständigen Stelle ein Auskunftsbegehren einreichen. Die Vollmacht kann zudem jederzeit widerrufen werden, was allerdings Auswirkungen auf die Versicherungsleistungen haben kann.

Vollmachten in unterschiedlichen Versicherungsbereichen:

Vollmachten im Bereich der kollektiven Krankentaggeldversicherung gemäss dem Versicherungsvertragsgesetz

Arbeitgeber schliessen für ihre Mitarbeitenden üblicherweise eine kollektive Krankentaggeldversicherung gemäss dem Versicherungsvertragsgesetz ab. Mit Krankentaggeldversicherungen können Arbeitgeber das Risiko absichern, dass sie Mitarbeitenden, die längere Zeit krankgeschrieben sind, den Lohn zahlen müssen. Bei einem Krankheitsfall muss der Versicherer seine Leistungspflicht beurteilen und den Leistungsumfang festlegen. Kommt es zu einem Arbeitsausfall einer versicherten Person, kann der Versicherer zwecks Klärung seiner Leistungspflicht bei behandelnden Ärztinnen und Ärzten oder anderen Stellen Informationen einholen. Dazu benötigt er eine Vollmacht der versicherten Person für den konkreten Versicherungsfall. Mit der Vollmacht befreit diese auch alle Personen oder Stellen, die über Informationen verfügen, die für die Klärung des Falls nützlich sind, von gesetzlichen oder vertraglichen Geheimhaltungsverpflichtungen (Entbindung vom Arztgeheimnis). Dies ermöglicht einen gesetzeskonformen Informationsfluss an den Krankentaggeldversicherer.

Die Krankentaggeldversicherer verfügen bei der Formulierung der Vollmacht über einen grossen Spielraum. Nach geltender Rechtsprechung ist es so, dass der Versicherer darüber entscheidet, welche Informationen er für die Beurteilung seiner Leistungspflicht und für die Berechnung seines Leistungsumfangs im konkreten Fall benötigt. Gleichzeitig ist der Versicherer an das Verhältnismässigkeitsprinzip gebunden. Für eine Vollmacht bedeutet dies, dass sie auf den konkreten Fall bezogen und auf zweckdienliche Informationen eingeschränkt sein muss. Eine Globalvollmacht, die jegliche Datenbekanntgaben rechtfertigen soll, ist ungültig.

Vollmachten im Bereich der Invalidenversicherung

Die Invalidenversicherung (IV) lässt die Versicherten in der Regel ein Formular ausfüllen, das eine Vollmacht enthält. Diese Vollmacht berechtigt die IV, Daten über die Versicherten, unter anderem bei Arbeitgebern, Ärztinnen und Ärzten und Versicherern, einzuholen. Dies ermöglicht ihr insbesondere zu prüfen, ob die Versicherten Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung haben.Häufig ist die Vollmacht jedoch sehr allgemein formuliert oder es ist nicht ersichtlich, welche Daten die Invalidenversicherung bei wem und zu welchem Zweck zu beschaffen gedenkt (Öffentlichkeits- und Verhältnismässigkeitsprinzip).

Diese Art von Blankovollmacht verstösst nicht nur gegen das Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG), sondern auch gegen das ATSG. Nach diesem müssen die Versicherten im konkreten Fall jeden am Prozess beteiligten Akteur (Arbeitgeber, Ärztinnen und Ärzte, Versicherer und öffentliche Stellen) ermächtigen, die für die Prüfung des Leistungsanspruchs erforderlichen Informationen bekanntzugeben. Diese Personen und Stellen sind verpflichtet, Auskunft zu erteilen.

Vollmachten im Bereich der beruflichen Vorsorge

Ein Bedarf an Gesundheitsdaten entsteht unter anderem beim Aufnahmeverfahren in die berufliche Vorsorge eines neuen Arbeitgebers und beim Eintritt eines Versicherungsfalls. Soweit ein Arbeitnehmender die Voraussetzungen für die obligatorische Versicherung gemäss dem Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge erfüllt, hat der Vorsorgeversicherer eine Aufnahmepflicht. Gesundheitsdaten dürfen für den Eintritt in die obligatorische Versicherung demnach nicht verlangt werden.

Werden jedoch auch Versicherungsleistungen für den überobligatorischen Bereich angeboten, sind Gesundheitsfragen grundsätzlich erlaubt. Der Vorsorgeversicherer tritt in diesem Fall nicht als Sozialversicherer, sondern als Privatversicherer auf. Für die Risiken Tod und Invalidität kann der Vorsorgeversicherer je nach Gesundheitszustand der Versicherten einen Vorbehalt machen. Die Versicherten haben Mitwirkungspflicht und müssen dem Vorsorgeversicherer die erforderliche Auskunft erteilen. Wenn sie nicht kooperieren, können die Leistungen gekürzt oder verweigert werden. Der Vorsorgeversicherer ist jedoch an das Verhältnismässigkeitsprinzip gebunden, wonach nur notwendige und zweckdienliche Personendaten beschafft werden dürfen. Aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip ergibt sich auch, dass die Gesundheitsdaten an die Vertrauensärztin oder den Vertrauensarzt oder den medizinischen Dienst der jeweiligen Vorsorgeeinrichtung gelangen müssen.

Vorsorgeeinrichtungen können Gesundheitsdaten über Arbeitnehmende dann bei Dritten einholen, wenn ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des DSG vorliegt. Als Rechtfertigungsgrund kommt grundsätzlich die Einwilligung der Arbeitnehmenden in Frage. Die Einwilligung ist insbesondere dann notwendig, wenn eine Vorsorgeeinrichtung Informationen bei Ärztinnen oder Ärzten einholen will, da diese dem Arztgeheimnis nach dem Strafgesetzbuch unterstehen. Zudem ist von Gesetzes wegen die schriftliche Einwilligung erforderlich, wenn ein Sozialversicherer Informationen einholen will.
Die Einwilligung ist jedoch nur dann gültig, wenn der Arbeitnehmende den Umfang und die Tragweite der Einwilligung kennt. Dies bedeutet, dass die Einwilligung klar und eindeutig darüber Auskunft geben muss, bei wem welche Informationen beschafft werden (Verhältnismässigkeits- und Öffentlichkeitsprinzip). Das Öffentlichkeitsprinzip gilt erst recht, wenn es sich um besonders schützenswerte Personendaten wie Gesundheitsdaten handelt. Sogenannte «Blankovollmachten» sind mit dem Datenschutzrecht nicht vereinbar.

Arbeitgeber, die Versicherungsleistungen im überobligatorischen Bereich nutzen, haben kein Recht, Gesundheitsdaten ihrer Arbeitnehmenden einzusehen, wenn diese beim Vorsorgeversicherer im Aufnahmeprozess sind. Die Gesundheitsdaten werden lediglich der Vorsorgeeinrichtung, deren medizinischem Dienst oder deren Vertrauensarzt oder Vertrauensärztin übergeben. Es liegt allein an der Vorsorgeeinrichtung abzuklären, ob jemand in den überobligatorischen Vorsorgebereich aufgenommen wird oder nicht. Das Aufnahmeverfahren muss so gestaltet werden, dass die Gesundheitsdaten der Arbeitnehmenden für den Arbeitgeber nicht zugänglich sind.


Bekanntgabe von Patientendaten

Im medizinischen und paramedizinischen Bereich sind bearbeitete Daten oft besonders schützenswert. Ihre Bekanntgabe unterliegt somit verschiedenen Vorschriften.

Rechnungsstellung bei stationären Behandlungen

Überprüfung der Wirtschaftlichkeit stationärer Behandlungen und Schutz der Personendaten von Patientinnen und Patienten – unterschiedliche Interessen vereinbaren.

Vollmacht für Versicherungen

Versicherungsvollmachten werfen oft die Frage der Vereinbarkeit mit dem Datenschutzrecht auf, insbesondere, wenn sie sehr weit gefasst sind.

Kopien von Arztrechnungen

Erbringer von medizinischen Leistungen müssen den Versicherten eine Rechnungskopie zustellen. Die Übermittlung kann elektronisch erfolgen.


Fragen zum Datenschutz

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Infothek

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Wichtige Neuerungen

Hier erfahren Sie weiteres über Neuerungen beim Datenschutzgesetz, das am 1.9.2023 in Kraft getreten ist.

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Letzte Änderung 12.07.2023

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