Das Logistep-Urteil des Bundesgerichts hat uns auch in diesem Berichtsjahr noch beschäftigt. Wir haben insbesondere aufgezeigt, unter welchen Voraussetzungen aus unserer Sicht die Bearbeitung von Personendaten durch Private bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet auch nach dem Urteil datenschutzkonform erfolgen kann.
Im 18. Tätigkeitsbericht 2010/2011 haben wir über das Urteil des Bundesgerichts in Sachen Logistep (BGE 136 II 508) berichtet. Das Gericht gab in den tragenden Erwägungen vorab einem Unbehagen angesichts der offensichtlich als ungenügend empfundenen heutigen gesetzlichen Regelung Ausdruck. In seinem Geschäftsbericht 2010 (S. 17) richtete es denn auch explizit den Hinweis an den Gesetzgeber, es sei dessen Sache, «die notwendigen Massnahmen zu treffen, um einen den neuen Technologien angepassten Urheberrechtsschutz zu gewährleisten.»
In der Urteilsbegründung klang aber unseres Erachtens auch der Vorwurf an die Adresse von Logistep bzw. die ihrer Auftraggeber an, zum Teil von ihnen selbst geschaffene Unsicherheiten ausgenützt zu haben, um (überhöhte) Zivilforderungen geltend zu machen; und dies bevor die Täterschaft mutmasslicher Urheberrechtsverletzer in einem Strafverfahren verbindlich festgestellt wurde, das rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt.
Gemäss unseren Abklärungen im Jahr 2008 unterscheidet sich das Vorgehen anderer Rechteinhaber bei der Verfolgung mutmasslicher Urheberrechtsverletzer gerade in diesem Punkt wesentlich von demjenigen, wie es Logistep praktiziert hatte: So wartet etwa IFPI Schweiz (der Dachverband der Ton- und Tonbildträgerhersteller) immer eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung ab, bevor sie Urheberrechtsverletzer mit Zivilforderungen konfrontiert. Wir haben IFPI Schweiz bereits im März 2008 mitgeteilt, dass sie mit dieser Vorgehensweise aus unserer Sicht nicht gegen das Datenschutzgesetz verstösst.
Im Nachgang zum Logistep-Entscheid sind IFPI Schweiz und SAFE (Schweizerische Vereinigung zur Bekämpfung der Piraterie) mit uns in Kontakt getreten. Sie haben uns versichert, dass ihr Vorgehen demjenigen entspricht, wie es uns im Frühjahr 2008 vorgeführt worden war. Wir haben den beiden Interessenverbänden daher mitgeteilt, dass uns weiterhin möglich erscheint, ein überwiegendes und die mit diesen Datenbearbeitungen verbundenen Persönlichkeitseingriffe damit rechtfertigendes Interesse anzunehmen,
- wenn sichergestellt ist, dass die Datenerhebung und -speicherung nicht über das hinausgeht, was absolut notwendig ist, um (bei der voraussichtlich örtlich zuständigen Behörde) Strafanzeige gegen mutmassliche Urheberrechtsverletzer zu erstatten;
- wenn sichergestellt ist, dass Verhandlungen zwischen Rechteinhaber und (mutmasslichem) Urheberrechtsverletzer über Schadenersatzforderungen nur auf dessen Initiative hin oder aber nach einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung stattfinden;
- und wenn die Rechteinhaber ihre Anstrengungen verstärken, die Beschaffung der Personendaten und den Zweck ihrer Bearbeitung für die betroffenen Personen möglichst erkennbar zu machen. Dazu müssen sie insbesondere auf ihren Webseites an leicht zugänglicher und auffindbarer Stelle ihre Vorgehensweise (einschliesslich detaillierter Angaben zu Art und Umfang der gesammelten Daten) vollständig offen legen und deutlich machen, dass Schadenersatzansprüche nur gegenüber rechtskräftig strafrechtlich verurteilten Urheberrechtsverletzern verfolgt werden.
Zudem haben wir SAFE und IFPI darauf hingewiesen, dass Datensammlungen bei uns registriert werden müssen, wenn regelmässig besonders schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile bearbeitet oder regelmässig Personendaten an Dritte bekannt gegeben werden.
Unter diesen Voraussetzungen ist nach unserer Auffassung eine datenschutzkonforme Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet nach wie vor möglich. Da wir aber von Gesetzes wegen nicht etwa dazu ermächtigt sind, Datenbearbeitungen formell zu genehmigen, kann eine rechtsverbindliche Beurteilung von Datenbearbeitungen letztlich - wie im Fall Logistep - nur durch die zuständigen Gerichte erfolgen.
In diesem Zusammenhang gilt es noch auf Folgendes hinzuweisen: Sollten die Strafgerichte eine gefestigte Rechtsprechung entwickeln, wonach privat ermittelte IPAdressen in Strafverfahren generell nicht verwertbar sind, müsste unsere Beurteilung anders ausfallen. Aus datenschutzrechtlicher Sicht wäre dann eine rechtmässige Aufzeichnung und Weitergabe der IP-Adressen durch Private bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen nach geltendem Recht nicht länger möglich: Die Datenerhebung wäre für den angestrebten Zweck von vornherein ungeeignet und die Datenbearbeitung damit unverhältnismässig.